Ernst Moritz Arndts Kampf gegen „Bastardisierung“ und „Völkerrührbrei“

Von Arno Herzig, Hamburg

Ernst Moritz Arndt kennt heute kaum noch jemand. Seine Schlachtgesänge sind ver­gessen, doch seine abstrusen Ideen sind wieder en vogue. Für ihn war Europa, in dem alle Völker in Frieden leben und in einem geistigen und kulturellen Austausch stehen, eine Wahnvorstellung. Diese Abschottungsideen sind heute leider nicht über­wunden. Arndts fatale Einstellung findet wieder Anhänger, auch wenn man sich nicht expressis verbis auf ihn beruft. Die rassistischen Ideen der sogenannten Biodeut­schen hätte auch Ernst Moritz Arndt unterstützt. Er vertrat als einer der ersten vor 200 Jahren eine rassistische Deutung nicht nur im Hinblick auf eine Vermischung von Deutschen und Juden, sondern überhaupt von Deutschen und ihren europäischen Nachbarvölkern, sofern er sie nicht wie die Holländer und Belgier schlicht als Deut­sche vereinnahmte. Für die Schädlichkeit einer Vermischung mit den Juden bzw. Nachbarvölkern prägte er den Begriff „Bastardisierung“. In seinen Deutungen ist er allerdings dermaßen widersprüchlich, dass sich nur schwer ein roter Faden erkennen lässt. Grundsätzlich aber ist er von der Schädlichkeit der Bastardisierung von Völkern überzeugt. Dies bleibt sein Mantra über ein halbes Jahrhundert.

1814 schreibt er in seiner Schrift „Noch etwas über die Juden“: „Erstlich ist jede häu­fige Mischung der Völker mit fremden Stoffen durchaus ein Verderben, das wider­streitende Triebe und Anlagen hervorbringt und die Eigentümlichkeit und Kraft des Charakters eines Volkes zerstört. Auch aus dieser Ursache ist das Geschlecht der Mischlinge auf den Grenzscheiden der Völker gewöhnlich ein leichtfertiges, zuchtlo­ses und treuloses Geschlecht .“ (Zitat in heutiger Schreibweise). Das gilt dann wohl auch für die Ostpreußen, Pommern, Schlesier, Rheinländer und die Tiroler sowie deren Kulturbeiträge.

Auf die Juden bezogen, schlägt Arndt mit seiner Bastardisierungsthese kuriose Vol­ten, wenn er auch seiner rassistischen Deutung treu bleibt. 1847 schreibt er in der „Augsburger Allgemeinen“: „Es wäre ein schlimmes Ding um jedes Leben und Dasein der Völker, wenn 40 Millionen Deutsche nicht mit 200.000 Israeliten fertig werden könnten, wenn sie sich nicht zutrauten, diese in sich verdauen und durch die sanfte­sten christlichen Mittel nicht allmählich in sich untergehen machen zu können. (…) Wir werden den jüdischen Stoff und Geist, der in unsern deutschen Israeliten ist, wohl in uns verarbeiten und verzeugen (!) können, ohne dass er unser Wesen eben sehr verändere“. Trotz seiner Angst vor „Bastardisierung“ kommt er dann zu der er­staunlichen Schlussfolgerung: „ … kein größeres Glück kann dem dummen, schläfri­gen deutschen Stamm wiederfahren, wenn Geistiges und Quickes unter seine Lang­weiligkeit gemischt wird“.

Wie bei vielen Antisemiten schwingt auch bei Arndt ein gewisses Minderwertigkeits­gefühl gegenüber den Juden mit. Seine positive Einschätzung bezüglich der Juden gilt allerdings nur für die deutschen Juden. Strikt wendet er sich gegen die aus Polen einwandernden Juden. Die Voraussetzung für die Vermischung ist allerdings die Tau­fe, durch die sich – wie auch für zahlreiche Zeitgenossen – für Arndt die „Judenfrage“ löst. Auf diese Weise verschwänden dann die Juden und ihre Untugenden.

Trotz Arndts Volten, was eine mögliche „Bastardisierung“ mit den deutschen Juden betrifft, gilt wohl eher für ihn die Einschätzung, die er 1814 äußert: „Die Juden als Ju­den passen nicht in diese (christliche A.H.) Welt und in diese (christlichen A.H.) Staa­ten hinein, und darum will ich nicht, dass sie auf eine ungebührliche Weise in Deutschland vermehrt werden. Ich will es auch deswegen nicht, weil sie ein durchaus fremdes Volk sind und weil ich den germanischen Stamm so sehr als möglich von fremdartigen Bestandteilen rein zu erhalten wünsche“.

Das Bild, das er von den Ostjuden entwirft, kennzeichnet am ehesten seine grund­sätzliche Einstellung gegenüber den Juden. Für sie verwendet er ekelerregende Metaphern: sie sind für ihn „wie Fliegen und Mücken und anderes Ungeziefer“.

Wenn auch seine Nachfolger im Geiste, die Nationalsozialisten, jede Vermischung ablehnten, seine Metaphern und Arndts generelle Einschätzung vom Judentum nah­men sie gern in den „Völkischen Beobachter“ auf. Auch Arndts widersprüchliche Cha­rakteristik von den Juden als dem „Bettlerherrenvolk“ findet sich in abgewandel­ter Form in der Behauptung der Nationalsozialisten wieder: Die Juden seien sowohl die Erfinder des Kapitalismus wie des Kommunismus.

Die Angst vor der „Umvolkung“, die heute bizarre Blüten treibt, hat in Arndt ihren geistigen Vater. Dies gilt auch für die Behauptung, dass die Deutschen ihre Grenzen öffnen und damit unsichere Elemente ins Land lassen. Für Arndt sind sie „wie das Schaf, das dem Wolf die Hürde öffnet“. Dass ohne Zuwanderung aus dem Ausland, die es seit Jahrhunderten gegeben hat, die „Biodeutschen“ auf einen kümmerlichen Rest zusammen geschmolzen wären, beweist die Migrationsforschung. Von den in­novativen Ideen, die Hugenotten, Polen oder Juden mitbrachten bzw. hier entwickel­ten, ganz zu schweigen.

Dort, wo Arndt in seiner Widersprüchlichkeit für eine „Bastardisierung“ von Deut­schen und Juden eintritt, entwirft er von den Deutschen ein nicht gerade positives Bild: „ein dummer, schläfriger deutscher Stamm“, der aufgrund seiner „Langweiligkeit und Schwerfälligkeit“ auf „Geistiges und Quickes“ verzichtet. Vermutlich ist dies, wenn wir Arndt folgen, auch das Ideal der „Biodeutschen“.

Aber in dem „Geistigen und Quicken“ der Juden liegt auch ihre Gefahr. Noch in dem Jahr, als die Revolution 1848 ausbrach, im Jahr des europäischen „Völkerfrühlings“, polemisiert er in seiner Schrift ‚Reden und Glossen’ heftig gegen die Juden. Ihnen wirft er „die Zerstörung jeder Vaterlandsliebe“ vor. Das Ergebnis der liberalen Forde­rungen ist für ihn ein „Völkerrührbrei“, geschmiert durch die jüdische „Humanitäts­wundersalbe“. Humanität aber setzt er gleich mit dem „Allerwelts-Judensinn“. Die de­mokratische Bewegung ist für ihn gleichbedeutend mit Auflösung, Zerstörung und Zersetzung der Vaterlandsliebe und Gottesfurcht. „Juden und Judengenossen, ge­taufte und ungetaufte arbeiten unermüdlich und auf allen äußersten radikalsten Lin­ken mitsitzend an der Zersetzung und Auflösung dessen, worin uns Deutschen bis­her unser Menschliches und Heiliges eingefasst schien, an der Auflösung und Zer­störung jeder Vaterlandsliebe und Gottesfurcht.“

Gefahr sah er vor allem in einer durch die demokratische Bewegung hervorgerufenen Bereitschaft zum Frieden und zur Verständigung unter den Volkern. Sie wären gleichsam die Folge des „jüdischen Kosmopolitismus“. Für Arndt aber bedeutete der Krieg, auch der Eroberungskrieg, ein Lebenselixier des deutschen Volkes. Durch die „prächtige Verbrüderung“ würden sich „alle Schwerter senken und Krieg und Erobe­rung eine Unmöglichkeit werden.“ Für Arndt war dies nicht eine beglückende, son­dern eine Angstvorstellung.
Eine Universität, die für eine weltoffene Kultur und demokratische Grundordnung steht, hat zurecht auf das Aushängeschild Ernst Moritz Arndt verzichtet. Dessen Angst vor „Bastardisierung“ sowie „Völkerrührbrei“ und die daraus entspringenden Aggressionen mögen für manche Rückständige auch heute wieder Programm sein, sie führten Deutschland allerdings schon einmal in eine kulturelle und geistige Ver­ödung.